Historisches Malerhandwerk - mit „denkmal aktiv“ Leinölfarbe als historisches Malmittel erproben
Die Lerngruppe der dualen Ausbildung zum Maler und Lackierer an der BBS Nicolaus-August-Otto Schule hat weitere Schritte in dem einjährigen Schulprojekt "denkmal aktiv - Kulturerbe macht Schule", das Schulprogramm der Deutschen Stiftung Denkmalschutz, getan.
Gemeinsam mit dem Restaurator für historische Fenster und architekturgebundene Holzkonstruktionen im Außenbereich, Herrn Johannes Mosler, aus Hadamar-Oberzeuzheim, hat die Lerngruppe in einem Seminar an Teilen eines denkmalgeschützten Fensterbestands sowie Probeplatten aus Holz, das historische Farbmittel Leinölfarbe erfahren und erprobt. Herr Mosler hat der Lerngruppe in einem Aktiv-Seminar das Kennenlernen von Leinölfarbe in ihrer Herstellung und Anwendung als historisches Farbmittel in der modernen Denkmalpflege ermöglicht. Der Blick auf historische und industrialisierte Farbprodukte in der modernen Denkmalpflege ist ein Aspekt des Schulprojektes an der NAOS, was die Sensibilität der angehenden Malergesellen und Gesellinen für eine verantwortungsvolle Arbeit an historischen Substanzen in der Baudenkmalpflege schaffen soll.
Historische Gebäude und Objekte wurden einst von Handwerkern geschaffen. Heute benötigt man für den Erhalt historischer Bausubstanz qualifizierte Handwerker, die über das handwerkliche Können hinaus mit den Regeln und Ansprüchen der Denkmalpflege vertraut sind. Um hier ein erstes Bewusstsein und erste Berührungspunkte zu schaffen, hat die NAOS ihre Teilnahme an dem einjährigen Schulprojekt unter den Titel "Denkmale in der Verantwortung des Malerhandwerks" gestellt.
Leinölfarbe wird seit Hunderten von Jahren genutzt. Ihre Existenz und ihr Erfahrungsschatz ist, verglichen mit der kurzen Geschichte der modernen Farbindustrie, also sehr lang. Leinöl und Leinölfarbe wurde über Jahrhunderte zur Fassung und Konservierung von Holzbauteilen im Bauhandwerk verwendet. Holzbauteile wie Fachwerk, Klappläden, Türen und Fenster wurden bis in die 1950er Jahre mit Leinölfarbe gefasst, sowie mit Leinöl konserviert und gepflegt. Im Zuge der Industrialisierung von Farbe ist auch auf dem Gebiet der Leinölfarbe einiges an historischem Wissen über die Zusammensetzung und die Modifikation von naturreiner Leinölfarbe verloren gegangen. Im Rahmen der modernen Denkmalpflege gilt die Wiederherstellung der Leinölkonservierung und Farbfassung mit Leinölfarbe an historischen Fenstern als wichtige Maßnahme zu ihrer authentischen Instandsetzung und Instandhaltung. In besonderem Maße wird in der Fensterinstandsetzung Wert auf authentische, traditionelle, bewährte Substanzen und traditionellen Handwerkstechniken gelegt.
In dem Seminar wurde der Lerngruppe ermöglicht die Gewinnung von Leinöl haptisch kennenzulernen, das Ölpressen aktiv auszuführen, das gepresste Öl durch Zublasen von Sauerstoff vor zu oxidieren (zu Kochen) und zu einem verarbeitbaren Bindemittel umzuwandeln. Leinöl wird aus Flachs, einer alten Kulturpflanze, gewonnen. Frisch gepresstes Leinöl wird rohes Leinöl genannt. Schon früh entdeckte man aber, dass Erwärmung seine Trocknungseigenschaften verbessert. Dieser Vorgang wird landläufig als „Kochen“ bezeichnet.
Im zweiten Teil des Seminars gab Herr Mosler der Lerngruppe die Möglichkeit selbst Leinölfarbe nach historischer Rezeptur herzustellen. Durch die Lernenden wurden Pigment durch Brennen, Mahlen, Sieben und Anteigen mit gekochtem Leinöl zu anwendbarer Leinölfarbe verarbeitet.
Bis in die 40er Jahre des 19. Jahrhunderts hinein wurde Leinölfarbe ausschließlich von Hand hergestellt. Später wurde das Anreiben mechanisiert, indem man Dreifachwalzwerke einsetzte. Auch in diesen Prozess ermöglichte Herr Mosler theoretische Einblicke. Im letzten Seminarteil wurde die hergestellte Leinölfarbe direkt auf einem historischen Fenster sowie auf Probeplatten aufgestrichen, um deren Eigenschaften aktiv erleben zu können.
Abschließend sei Herrn Mosler für seine ehrenamtliche Unterstützung der „denkmal aktiv“ Teilnahme der NAOS gedankt sowie für die vielfältigen, und in allen Teilen für die Lerngruppe praktisch erlebbaren Einblicke in die Herstellung und Anwendung eines historisch bedeutsamen Farbmittels für die moderne Denkmalpflege.
„Die Schönheit des Anstrichs mit Oehlfarbe beruhet aber nicht allein in einer gut zubereiteten Farbe, sondern auch in in dem Fleiß und Mühe, womit selbige aufgetragen wird...“ (David Gilly: Handbuch der Land-Bau-Kunst. Braunschweig 1800–1811)
Bilder und Text: Julia Lang